„Man spricht Deutsch“ ist ein autobiografisches Kunstprojekt, welches durch Ausstellungen und verschiedene Partizipationsprojekte einen Raum für Begegnungen und Austausch für Menschen mit Migrationshintergrund schaffen will.
Politik und Gesellschaft haben über Jahrzehnte aktiv verhindert, dass die Kinder von Migrant*innen ihre Muttersprache erlernen. „Bei uns spricht man Deutsch, auch zu Hause!“ war der Leitsatz, der Eltern bereits im Kindergarten streng vermittelt wurde. Damit wurde klar impliziert: Wenn die Kinder eine andere Sprache, ihre Muttersprache, und damit Kultur erlernen, dann schadet das ihrem Leben in Deutschland – ihrer Schulleistung, ihrer Integration, ihrer Zukunft. Sei es das angestrebte Gesetz der CSU, dass man daheim nur noch Deutsch reden dürfte, oder das gelebte, wenn auch nirgends aufgeschriebene Gesetz, dass auf dem Schulhof „Türkisch-Verbot“ herrschte – andere Sprachen als Deutsch waren unerwünscht und schadhaft. Aber nur bestimmte Sprachen. Die
gesellschaftliche Ächtung galt hauptsächlich den Sprachen der Zuwandererfamilien: Türkisch,
Arabisch, Albanisch, Italienisch, Spanisch, Farsi, Punjabi – aber nicht für Englisch und Französisch, denn Sprache ist auch immer Politik. Rassismus ist in allen Teilen des gesellschaftlichen Lebens verwurzelt.
In diesem Fall zeigt er sich als Linguizismus: die gezielte Geringschätzung von Minderheitensprachen. Als Edmund Stoiber 2006 beim politischen Aschermittwoch rief: „Wer randaliert, fliegt raus, und wer kein Deutsch kann, kommt gar nicht erst rein.“, meinte er bestimmt nicht die Dänen, US-Amerikaner und Holländer unter uns. Mittlerweile weiß man, dass es uns nicht geschadet hätte, unsere Muttersprachen als Kinder zu lernen, ganz im Gegenteil. Und es ist etwas, das wir nie aufholen werden können.
Sprachlich wurden wir zwar assimiliert, gesellschaftlich aber trotzdem als „anders“ gelesen – als “Ausländer” in Deutschland, nur sprachlos. Ein sicherer Rückzugsort in die Diaspora und die Heimatländer unserer Eltern bleibt uns damit verwehrt. Sprache ist auch Identität. Dem sind sich auch konservative und sogar rechte Parteien bewusst. So forderte zuletzt 2015 die CSU unter Horst Seehofer, dass ein Gesetz dafür sorgen sollte, dass Migrant*innen ab sofort verpflichtet werden, Deutsch zu sprechen – sogar Zuhause. Und auch die AFD forderte 2018, dass Deutsch als Sprache im Grundgesetz verankert werden sollte. Das Recht auf die eigene Muttersprache (UN-Konvention für Kinderrechte, Artikel 29, 1992) wird somit immer wieder angefeindet und gefährdet.
Sandra Singh, geboren 1990 in München, ist bildende Künstlerin, Fotografin und Kunstpädagogin. In ihrer künstlerischen Praxis arbeitet Singh an der Schnittstelle von Fotografie, Druckgrafik und Medienkunst. Ihr Fokus liegt auf Projekten und Recherche zu Themen der Grenzpolitik, weibliche Autonomie und migrantische Identität.
sandrasingh.de / Instagram @sandra_singh
Francesco Giordano ist ein queerer Fotograf und bildender KĂĽnstler, der in MĂĽnchen lebt und
arbeitet. Er hat italienische und spanische Wurzeln und wurde 1992 in Süddeutschland geboren. Giordano widmet sich Projekten, die sich mit LGBTQIA+-Themen und Migration beschäftigen.
francesco-giordano.com / Instagram @francescogiordano._
Für dieses Projekt haben wir die Verbindungslinien Förderung 2023 des BBK München / Oberbayern erhalten.
Der Aufbau der dazugehörigen Plattform auf www.man-spricht-deutsch.de wird gefördert durch das Kulturreferat / Stabsstelle für Diversität und Inklusion der Landeshauptstadt München.